Kinder in der Schule zukunftsfähig machen
Aufgrund der skizzierten Zukunftstrends stehen Schulen weltweit vor grundlegenden Veränderungen. Diese betreffen die Bildungsinhalte, die Förderung von fächerübergreifenden Kompetenzen, die Bildungsmethoden, die Bewertungsverfahren, die Unterstützung bisher Benachteiligter, die Schulqualität und die Zusammenarbeit mit Eltern und anderen Einrichtungen. Die Bedeutung des Erwerbs von Faktenwissen wird erheblich abnehmen zugunsten der lernmethodischen Fähigkeit, relevante Informationen finden, bewerten und kreativ nutzen zu können, denn nur so wird die Grundlage für lebenslanges Lernen in der Wissensgesellschaft gelegt. Aber auch kommunikative, soziale und personale Fähigkeiten müssen in Zukunft verstärkt gefördert werden. So ist ein kompetenzbasiertes Bildungskonzept vonnöten, das auf Schlüsselqualifikationen fokussiert, die im Verlauf des Lebens weiter ausgebaut werden können.
Ferner muss der Pool der Begabungen besser ausgeschöpft werden - insbesondere das Potenzial von Kindern mit Migrationshintergrund bzw. aus bildungsfernen Schichten: Während laut Datenreport 2021 im Jahr 2018 nur 30% der Schüler an Gymnasien einen Migrationshintergrund aufwiesen und nur 8% in Familien aufwuchsen, in denen die Eltern einen Hauptschulabschluss oder keinen allgemeinen Schulabschluss als höchsten Schulabschluss besaßen, hatten 57% der Hauptschüler einen Migrationshintergrund und kamen 55% aus Familien mit dem vorgenannten Bildungsstand der Eltern. Ferner ist mehr Augenmerk auf hoch begabte Kinder zu legen, die bisher zu häufig nicht bzw. zu spät identifiziert und dementsprechend zu wenig gefördert wurden. Neben entsprechenden Fortbildungen für (Grundschul-) Lehrer müssten Angebote der Akzeleration und des Enrichments sowie Förderklassen weiter ausgebaut werden.
Die hohen Anforderungen an das Schulsystem werden dazu führen, dass die Bildungszeit verlängert werden wird - vielleicht durch eine Reduzierung der Ferienzeiten, mit Sicherheit aber durch eine Verlängerung der Schultage. So gehört Ganztagsschulen die Zukunft. Im Jahr 2022 besuchten laut KMK schon 49% aller Schüler an allgemeinbildenden Schulen eine Ganztagsschule, wobei die Prozentsätze zwischen 16% in Bayern und 94% in Hamburg variierten.
In Ganztagsschulen kann der Unterrichtsstoff am Vormittag und am Nachmittag vermittelt werden. Dazwischen können Schüler ihre "Hausaufgaben" erledigen und alleine oder in Kleingruppen Lerninhalte wiederholen, einüben und vertiefen - mit oder ohne Unterstützung durch Lehrer bzw. pädagogisch geschultes Personal. So wird selbständiges und eigenverantwortliches Lernen ermöglicht, wobei Schüler sich in einem vorgegebenen Rahmen die Zeit einteilen und auch eigene Schwerpunkte setzen können. Zudem können leistungsschwache Schüler in diesen Zeiträumen individuell oder in Kleingruppen gefördert werden.
Vor allem aber ermöglichen Ganztagsschulen die Rhythmisierung des Lernens, also den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, indem zwischen den Unterrichtsstunden und Hausaufgabenzeiten andere Angebote eingefügt werden, bei denen nicht das kognitive Lernen im Vordergrund steht und der Leistungsdruck geringer ist (z.B. weil keine Benotung erfolgt). Dazu können Sport (Mannschaftsspiele, Schwimmen, Klettern, Kung-Fu, Yoga usw.), Lesen in der Bibliothek, Musik (Schulband/ -orchester, Chorsingen, Tanzen, Trommeln, Flöten-, Geigen-, Gitarrenkurse usw.), Programmieren, Kunst (Malen, Töpfern, Textilgestaltung usw.), Erste-Hilfe-Kurse, gemeinsames Spielen (Schach, Gesellschaftsspiele usw.), Werken, hauswirtschaftliche Tätigkeiten (z.B. Kochen/ Backen, Handarbeiten), Theatergruppen, Sprachkurse (Spanisch, Mandarin, Japanisch usw.), Debattierclubs, Gesprächs- und Arbeitskreise gehören.
Auf diese Weise kann eine Balance zwischen kognitivem Lernen auf der einen und motorischem, musischem, künstlerischem, kulturellem, medialem, emotionalem und sozialem Lernen auf der anderen Seite erreicht werden. Zugleich wird Schule zu einem Erfahrungs- und Lebensraum, der nicht nur von Lehrern, sondern auch von den Schülern selbst sowie von Freizeit- und Sozialpädagogen (z.B. Mitarbeitern aus der Jugendarbeit oder von Jugendverbänden), nebenamtlichen Lehrkräften (z.B. Tanz- oder Musikschullehrern, Trainer) und Ehrenamtlichen (z.B. Lesepaten, Mitgliedern von Vereinen oder Künstlern) gestaltet wird. Neben dem Unterricht gewinnen Selbstbildung, die individuelle Weiterentwicklung, das Leben in Gruppen und die Mitgestaltung einer Lebensgemeinschaft an Bedeutung.
In Zukunft sollte der Biorhythmus der Schüler besser berücksichtigt werden, was an Ganztagsschulen leicht möglich wäre. So lassen Konzentrations- und Leistungsfähigkeit um die Mittagszeit nach und steigen erst wieder ab 14 an. Dementsprechend sollten zwischen 12 und 14 Uhr möglichst keine Hauptfächer angesetzt werden. Aber auch der Beginn des Schultages könnte entspannter gestaltet werden, wenn die Schüler vor Unterrichtsbeginn in Aufenthaltsräume gehen und ein gesundes Schulfrühstück zu sich nehmen könnten - inzwischen kommt bereits ein Drittel aller Kinder ohne Frühstück in die Schule, was natürlich ihre Lernfähigkeit beeinträchtigt. Außerdem sollte in Ganztagsschulen großer Wert auf ein vollwertiges Mittagessen gelegt werden. Nehmen Lehrer an den Mahlzeiten teil, können sie auf Tischsitten und -gespräche einwirken - und sei es nur durch ihr Vorbild. Bei Jugendlichen ist auch ein späterer Unterrichtsbeginn sinnvoll, da sich der Biorhythmus im Alter von 12 oder 13 Jahren stark verändert und viele Kinder zu "Nachteulen" bzw. "Langschläfern" werden. Zudem entspricht eine Unterrichtsstunde von 45 Minuten nicht dem Lernrhythmus der Schüler. Deshalb dürften in Zukunft häufiger längere Unterrichtsblöcke angesetzt werden.
Da Lehrer bei über den Vor- und Nachmittag verteilten Unterrichtsstunden zumeist den ganzen Tag in der Schule verbringen müssen, sind sie in ihren Freistunden für Rückfragen ihrer Schüler erreichbar - aber auch für Besprechungen mit Kollegen, um z.B. fächerübergreifenden Unterricht, Projekte oder besondere Aktivitäten gemeinsam zu planen. Zudem sind sie für andere Berufsgruppen ansprechbar, die an der Ganztagsschule tätig sind (z.B. Freizeit- und Sozialpädagogen), die einzelne verhaltensauffällige, lerngestörte oder behinderte Schüler betreuen (z.B. Beratungs- und Förderlehrer, Heilpädagogen, Schulsozialarbeiter und -psychologen) oder die Eltern mit Erziehungsschwierigkeiten und anderen Problemen beraten (z.B. Mitarbeiter von Beratungsstellen oder Jugendämtern). So kann eine sinnvolle Kooperations- und Feedbackkultur in den zunehmend multiprofessionell werdenden Schulkollegien entstehen.
Bildungsinhalte
Nimmt man die Vorstellung vom lebenslangen Lernen ernst, darf man die Lehrpläne nicht überfrachten und die Schüler nach dem Prinzip des Nürnberger Trichters mit Unmengen von Wissen "voll stopfen". Derzeit müssen sich Gymnasiasten in vielen Fächern Kenntnisse aneignen, die Lehrer mit anderen Fachkombinationen an der gleichen Schule nicht beherrschen - das geht weit über Allgemeinbildung hinaus. So sollten die Lehrpläne radikal entschlackt werden, damit die Lernmotivation erhalten bleibt, Themen kritisch diskutiert werden können (Nachdenken statt Pauken!), sich Kenntnisse in Gruppenarbeit vertiefen lassen und Zeit für deren Wiederholung zwecks Festigung des Lernerfolgs bleibt.
Um die Wissensgesellschaft später mitgestalten zu können, benötigen Kinder und Jugendliche vor allem lernmethodische Kompetenzen, damit sie sich die im Verlauf ihres Lebens benötigten Kenntnisse selbst aneignen können. Sie müssen das Lernen lernen, also wissen, wie man relevante Informationen beschafft, beurteilt, vergleicht und in das bisherige Wissen einordnet, wie man sie sich einprägt und den eigenen Lernerfolg überprüft. Ferner sollten sie mit Informationen arbeiten und sie anwenden können. Aber die Schüler müssen auch lernen, wie man eigene Kenntnisse weitergibt, also z.B. in eine Arbeitsgruppe einbringt, verständlich präsentiert und kritisch diskutiert, wie man sie mit dem Wissen der anderen Gruppenmitglieder kombiniert, wie man gemeinsam Probleme löst und wie man ein von allen getragenes Arbeitsergebnis erreicht. So werden Lernprozesse - und nicht mehr Lernprodukte - zum Gegenstand des Unterrichts.
Noch wichtiger ist, dass die heutigen Schüler befähigt werden, als Erwachsene Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft mitzugestalten. Schon der griechische Philosoph Heraklit meinte, dass Bildung nicht das "Befüllen von Fässern", sondern das "Entzünden von Flammen" sei. Oder wie der Neurobiologe Gerald Hüther sagte, sei es nicht so wichtig, Kulturgüter zu überliefern, wie den Geist zu entflammen, der diese Güter hervorgebracht hat. Dazu müssen die Schüler auch fachspezifische Methodenkompetenzen erwerben, also lernen, mit welchen Verfahren im jeweiligen Bildungsbereich Erkenntnisse gewonnen und Probleme gelöst werden. Zugleich sollten sie eine forschende Grundhaltung entwickeln, die auf Neugier, intrinsischer Motivation und ausgeprägten Interessen beruht. Die "Paukschule" mit Auswendiglernen bzw. Lernen aus Angst ist nicht die Zukunft, sondern Lernen sollte laut dem Hirnforscher Manfred Spitzer mit positiven Emotionen, ja sogar mit einem Glücksempfinden verbunden sein.
Schüler müssen somit "nur" ein Grundgerüst an Wissen erwerben, das es ihnen ermöglicht, sich in der postmodernen Welt zu orientieren, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und gesellschaftliche Prozesse aktiv mitzugestalten. Die miteinander vernetzten Kenntnisse sollten als Grundlage für Berufsausbildung bzw. Studium ausreichen.
Wenn die Lehrpläne entschlackt würden, bliebe Zeit für neue Schulfächer. Obwohl die Zukunft Deutschlands weitgehend von seiner Wirtschaft abhängt, spielen Volks- und Betriebswirtschaft derzeit keine große Rolle als Unterrichtsfach. Die Jugendstudie 2021 des Bundesverbandes Deutscher Banken, für die 700 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 24 Jahren befragt wurden, zeigte dementsprechend große Wissensdefizite: Beispielsweise konnten 86% der Befragten nicht annähernd sagen, wie hoch die Inflationsrate in Deutschland ist, und 83% wussten nicht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) für die Preisstabilität in der EU-Zone zuständig ist. So sprachen sich 76% der Befragten dafür aus, dass die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge einen höheren Stellenwert an der Schule erhält; 77% wünschten sich ein Unterrichtsfach "Wirtschaft".
Deshalb sollte dieses Fach an allen Schulen eingeführt und über möglichst viele Jahrgangsstufen hinweg unterrichtet werden. Dabei sollten die Schüler auch Einblick in die betriebliche Wirklichkeit erhalten und praktische Erfahrungen sammeln können, z.B. durch Praktika oder Fallstudien in Unternehmen. Zudem könnte ein Teil des Unterrichts von Managern übernommen werden - entweder in der Schule oder direkt im Betrieb. Positive Erfahrungen wurden auch mit "Juniorfirmen" an Schulen gesammelt: Kinder und Jugendliche gründen unter Anleitung eigene Betriebe (z.B. einen Verkaufsstand, ein Schülercafé, einen Veranstaltungsservice, eine Produktionsstätte für T-Shirts), entwickeln somit Unternehmergeist und erwerben ganz praktisch kaufmännische Kompetenzen (z.B. Marktanalyse, Kundenwerbung und -pflege, Kalkulation, Buchführung). Ferner können Schülern viele Kenntnisse und Fertigkeiten mit Hilfe spezieller Computerspiele vermittelt werden, in denen Wirtschaftsunternehmen simuliert werden. Schüler lernen das Funktionieren eines Betriebs kennen, indem sie die dort üblichen Rollen übernehmen.
In den letzten Jahren wurde die Bedeutung der Naturwissenschaften für die Zukunft der deutschen Wirtschaft erkannt und in vielen Bundesländern der Unterricht in Mathematik, Biologie, Chemie und Physik intensiviert - sofern genügend Lehrkräfte mit einer entsprechenden Qualifikation zur Verfügung stehen. Zumeist handelt es sich nun um reine "Paukfächer". Einige Schulen haben jedoch auch Methoden ausprobiert, die eher zukunftsweisend sind: Beispielsweise gibt es bereits an einigen Gymnasien (z.B. in Leipzig) Forschungsjahre. Dann haben die Schüler alle zwei Wochen keinen Unterricht, sondern gehen individuellen Forschertätigkeiten an Universitätsinstituten, in Unternehmen oder kommunalen Einrichtungen nach. Dort werden sie von einem Mentor angeleitet. Die Schüler dokumentieren ihre praktischen Erfahrungen und präsentieren sie am Ende ihres Forschungsjahres der Öffentlichkeit.
Aber auch durch einen Unterricht in der Natur, das Arbeiten in schuleigenen Gärten oder die Aufzucht von Tieren können naturwissenschaftliche Kenntnisse lebensnah vermittelt werden. So entstehen in den USA immer mehr Schulgärten (alleine in Kalifornien gibt es inzwischen mehr als 6.000), damit Schüler lernen können, wie Lebensmittel produziert werden und wie sie im Naturzustand schmecken. Zugleich wird deutlich, wie abhängig die Menschheit von den Ressourcen der Natur ist. Durch Unterricht und praktische Forschertätigkeiten im Wald, auf der Wiese, im Moor oder am Teich könnte auch dem bereits erwähnten Natur-Defizit-Syndrom begegnet werden. Je mehr Naturerfahrungen gemacht werden, umso eher wird eine emotionale Beziehung zur Natur entwickelt: Sie wird als etwas gesehen, was es zu lieben und zu schützen gilt.
Sonderbarerweise fehlen derzeit die Ingenieurwissenschaften - einschließlich der Informatik - in nahezu allen Lehrplänen, obwohl die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands weitgehend von der technologischen abhängt und die meisten Kinder von Technik umgeben (und fasziniert) sind. Deshalb sollten entsprechende Fächer in Zukunft an allen Schulen eingeführt werden. Neben dem theoretischen Unterricht sollten Kinder auch möglichst früh lernen, mit Werkstoffen wie Holz, Kunststoff, Metall oder Keramik praktisch umzugehen, indem sie z.B. nützliche Gegenstände, Geschenke oder Schmuck herstellen. Ältere Schüler könnten technische Geräte auseinandernehmen und so deren Bestandteile und ihr Zusammenwirken kennen lernen. Ferner könnten sie kleine Fahrzeuge, Flugzeuge, Maschinen, Solaranlagen oder Roboter bauen, Schulcomputer und Netzwerke warten, neue Funktionen programmieren oder Reparaturen im Schulgebäude durchführen. Praktische Erfahrungen ließen sich auch durch Besichtigungen, Schnuppertage, Praktika oder Projekte in Fabriken, in Handwerksbetrieben oder bei kommunalen Versorgern vermitteln.
Dieser große Praxisbezug dürfte das Interesse an den Ingenieurwissenschaften intensivieren. Zugleich würden die Schüler lernen, naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden. Ein solcher Unterricht würde vor allem männlichen Schülern Spaß machen und sie engagiert mitarbeiten lassen. Jungen interessieren sich oft für andere Lerninhalte als Mädchen (wie eben für die Technik). Diese sind aber an Schulen unterrepräsentiert, was zu der geringeren Leistungsmotivation von männlichen Schülern beitragen dürfte (s.u.).
Da das Leben in unserer Gesellschaft stark durch Gesetze und Verordnungen geprägt ist, sollten in Zukunft vermehrt juristische Kenntnisse an Schulen vermittelt werden. Auch aktuelle politische (Grundsatz-) Fragen und gesellschaftliche Probleme sollten im Unterricht aufgegriffen und von den Schülern diskutiert werden. Medizinische, soziologische, psychologische und pädagogische Kenntnisse werden ebenfalls immer wichtiger und müssten deshalb mehr in die Lernpläne einfließen. In entsprechenden Unterrichtsfächern könnten häufig Projekte durchgeführt werden, bei denen z.B. lebensweltliche Alltagserfahrungen der Schüler oder örtliche Problemlagen aufgegriffen werden. Auch wären Praktika in Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen, Seniorenheimen, Kindertagesstätten, Gerichten und Justizvollzugsanstalten sinnvoll. Hier könnten Schüler ihr Handeln als sinnvoll erleben und lernen, Verantwortung zu übernehmen.
Leider fehlen derzeit Lehrer mit einer medizinischen, juristischen, ingenieurwissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Qualifikation. Ein Ausweg aus dieser Situation wäre einerseits, Lehraufträge über einige wenige Unterrichtsstunden an Vertreter entsprechender Berufsgruppen (Manager, Techniker, Rechtsanwälte, Ärzte, Informatiker usw.) zu vergeben. Wie in der Vergangenheit bei Bedarf schon Naturwissenschaftler ohne Lehramtsstudium an Schulen angestellt wurden, könnten andererseits Ingenieure, Juristen, Volks- und Betriebswirte als Lehrer beschäftigt und für diese Tätigkeit nachqualifiziert werden.
Es muss außerdem hinterfragt werden, ob derzeitige Schulfächer zukünftigen Anforderungen entsprechen. So werden in unserer globalisierten Welt Fremdsprachenkenntnisse immer wichtiger. Zu überprüfen ist hier, ob an unseren Schulen wirklich die wichtigsten Sprachen unterrichtet werden. Beispielsweise wird laut Wikipedia Mandarin-Chinesisch derzeit von 921 Mio. Menschen gesprochen, Englisch als zweithäufigste Sprache aber nur von 370 Mio. Personen. Englisch spielt allerdings als Zweitsprache eine größere Rolle: 898 Mio. Menschen haben Englisch gelernt, aber nur 199 Mio. Chinesisch. Zudem gilt Englisch als Sprache für die Berufswelt, die Wissenschaften und das Internet. Andere Weltsprachen mit Zukunft sind Hindi und Arabisch; sie könnten bis 2050 das Englische als Muttersprache überholt haben. Auch die Bedeutung des Spanischen wird zunehmen; in den USA werden bis zum Jahr 2050 Menschen lateinamerikanischer Herkunft zusammen mit Schwarzen und Asiaten mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Französisch oder gar Latein und Griechisch werden hingegen an Bedeutung verlieren.
Bedenkt man, dass China in einigen Jahren die größte Wirtschaftsmacht sein wird und schon jetzt der wichtigste außereuropäische Handelspartner Deutschlands ist, sollte in Zukunft Hochchinesisch (Mandarin) zumindest an allen weiterführenden Schulen als (zweite) Fremdsprache angeboten werden. Englisch als erste Fremdsprache könnte teilweise bilingual unterrichtet werden, also auch in anderen Haupt- und Nebenfächern zum Einsatz kommen. Als dritter Fremdsprache könnte dann Spanisch oder Hindi der Vorzug gegeben werden.
Natürlich kann man nicht in wenigen Jahren genügend Lehrer für Mandarin oder Hindi an deutschen Universitäten ausbilden oder gar die bisherigen Latein- und Griechischlehrer entsprechend umschulen. Aber man könnte Lehrkräfte in China, Indien, Spanien oder Lateinamerika anwerben - was für diese auch aufgrund der höheren Gehälter in Deutschland attraktiv sein dürfte. Der Unterricht würde dann ausschließlich in der jeweiligen Fremdsprache geführt werden. Lehrer aus anderen Ländern, die zudem deren Kultur, Sitten und Gebräuche repräsentieren würden, wären sicherlich eine weitere Bereicherung für die multiprofessionellen Schulkollegien der Zukunft.
Aber auch in Fächern wie Geschichte oder Geografie müsste den bevölkerungsstarken Regionen dieser Erde bzw. den Wirtschafts- und Weltmächten der Zukunft mehr Unterrichtszeit gewidmet werden. Die Schüler sollten mindestens genauso viel über Landesnatur, Bevölkerung, Geschichte, Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft von Ländern wie China, Indien, Russland und Brasilien wissen wie über die USA, Frankreich und Großbritannien.
Durch Auslandsaufenthalte, technische oder unternehmerische Aktivitäten an der Schule, Praktika in Betrieben, Projekte mit außerschulischem Bezug usw. gewinnen Schüler nicht nur Einblicke in die Welt außerhalb der Schulmauern, sondern erkennen auch einen Zusammenhang zwischen den im Unterricht vermittelten Kenntnissen und der späteren Anwendung im Beruf, zwischen (jetzt) Lernen und (später) Arbeiten. Dann ergibt das Lernen einen Sinn, da ein praktischer Nutzwert schulischer Inhalte und ein Lebensweltbezug offensichtlich werden. Dies dürfte Lernmotivation und Lernfreude erhöhen.
Bedenkt man, dass Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit immer weniger und immer oberflächlicher lesen sowie sich durch das Simsen und das häufige Eintippen von Texten auf sozialen Websites einen primitiven Schreibstil angewöhnen, kommen in Zukunft der Leseförderung und dem Erwerb der de-kontextualisierten bzw. der Schriftsprache eine große Bedeutung zu. So sollten in (Grund-) Schulen durch eine emotional ansprechende Lektüre bzw. durch die Berücksichtigung entsprechender Interessen der Schüler mehr freudvolle Lesesituationen geschaffen werden, durch die eine intrinsische Lesemotivation gefördert wird. Aber auch regelmäßige Vorlesezeiten in (Grundschul-) Klassen, Lesetagebücher, Vorlesewettbewerbe, Lesenächte, Literaturcafés, der Einsatz von ehrenamtlichen Lesepaten oder Bücherrallyes dürften sinnvoll sein. Leseecken im Klassenzimmer und eine den ganzen Tag hindurch geöffnete Schulbibliothek mit Leseräumen würden es Schülern ermöglichen, sich alleine oder mit Gleichgesinnten (z.B. in einem Lesekreis) mit den vorhandenen Büchern und (Jugend-) Zeitschriften zu befassen. Lesescouts - bücherbegeisterte Kinder - könnten ihre Klassenkameraden auf spannende Bücher neugierig machen. Ältere Kinder und Jugendliche sollten auch an Sachbücher und Fachtexte herangeführt werden.
Wenn häufiger Papier und Füller bzw. Kugelschreiber anstatt von Tastaturen verwendet würden, könnten Schüler aus der kritischen Distanz zum eigenen handschriftlichen Text heraus einen komplexen, treffenden und kultivierten Schreibstil entwickeln. Sie sollten möglichst oft längere Texte erstellen (z.B. Aufsätze, Essays, Referate, Facharbeiten).
Zudem muss die Kreativität der Kinder mehr gefördert werden. Entsprechende Aktivitäten sind vor allem im Rahmen des Musik- und Kunstunterrichts möglich. Außerdem könnten vermehrt Projekte zusammen mit Musikern, Malern, Bildhauern und Filmemachern durchgeführt oder Musikdarbietungen und Kunstausstellungen in der Schule bzw. an anderen Orten realisiert werden.
Ferner sollten durch Sportunterricht und Bewegungsangebote (z.B. in den Pausen, auch durch Umgestaltung von Schulhöfen zu Abenteuerspielplätzen) die motorische und die gesundheitliche Entwicklung gefördert werden - zu viele Schüler sind untrainiert, ungeschickt und zu dick. Da sie oft übermüdet und gestresst sind, benötigen sie Informationen über die Bedeutung des Schlafes und die Entstehung von Stress. Ferner sollten sie Entspannungsverfahren kennen lernen. Außerdem müssen Kinder auf das Leben in einer Freizeitgesellschaft vorbereitet werden, in der sie viele Chancen zur Selbstverwirklichung haben. Sie sollten an Ganztagsschulen im Rahmen der Aktivitäten und Kurse zwischen den Unterrichtseinheiten lernen, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten, und möglichst frühzeitig Hobbys entwickeln.
Je vielfältiger und ausdifferenzierter eine Gesellschaft wird, je größer die Zahl der Optionen ist und je weniger Traditionen, Werte und Sitten tragen, umso wichtiger werden Hilfen zur Orientierung, bei der Suche nach dem Sinn des eigenen Lebens und zur Gewissensbildung. So wird auch in Zukunft Fächern wie Religion und Ethik eine große Bedeutung zukommen. Allerdings wird die christliche Erziehung in einer Gesellschaft, in der sich immer weniger Deutsche einer Konfession zurechnen und immer mehr Menschen anderen Religionsgemeinschaften angehören, nur für wenige Schüler relevant sein. So müsste - außer an konfessionell gebundenen Schulen - aus Religion "Religionskunde" werden. In diesem Fach könnten sich Schüler Wissen über verschiedene Religionen wie z.B. Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Taoismus, Shintoismus und Konfuzianismus aneignen. Solche Kenntnisse sind für ein Leben unter dem Vorzeichen der Globalisierung relevant: Menschen werden immer häufiger in ihrem Heimatland, während Auslandsaufenthalten und auf Reisen mit anderen Religionen konfrontiert werden und sollten dann die wichtigsten Glaubenssätze, Kulte, Riten und Verhaltensnormen kennen.
Im Fach Ethik können zum einen Schlüsselprobleme der heutigen und der zukünftigen Welt diskutiert werden: gesellschaftliche Ungleichheit, Bevölkerungsentwicklung, Umgang mit alten Menschen und mit Behinderten, Arbeitslosigkeit, Armut (auch in Entwicklungsländern), Migration, Krieg, Ausbeutung der Natur, Klimawandel, Umweltzerstörung usw. Zum anderen sollten ethisch relevante Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen thematisiert werden: "ungerechte" Leistungsbeurteilungen, Konflikte mit Erwachsenen und Peers, emotional belastende Erlebnisse wie der Tod eines Großelternteils, Mobbing, Komasaufen, Drogengefährdung usw. Ethische Fragen könnten aber auch in anderen Fächern behandelt werden, z.B. mangelnde Fairness beim Fußballspielen in Sport oder Gefahren der Gentechnik in Biologie. Kinder und Jugendliche werden jedoch nur über Persönliches sprechen, wenn sie ein echtes Interesse seitens der Lehrer verspüren, diese auch als Bezugspersonen und freundschaftlich gesinnte Gesprächspartner erleben und keine negativen Sanktionen fürchten müssen.
Ideal wäre es, wenn Schüler von der Reflexion ethischer Probleme zur Handlungsbereitschaft oder sogar zum konkreten Handeln geführt würden. Beispielsweise sollten sie Verständnis für die Lebenslagen und Bedürfnisse von Senioren entwickeln, deren Anteil an der Bevölkerung immer weiter ansteigen wird. Dann könnte der von manchen Fachleuten erwartete Generationenkrieg vermieden werden, da jüngere Menschen unter diesen Umständen eher bereit sein dürften, auf einen in Zukunft noch zunehmenden Anteil ihres Einkommens zugunsten der Senioren zu verzichten. Oder aus der Diskussion ökologischer Probleme heraus könnten die Solidarisierung mit Klimaflüchtlingen und deren Unterstützung, Schulprojekte wie der Bau einer Windturbine, die Übernahme einer Patenschaft für ein Biotop, ein besseres Recycling-Verhalten oder ein sparsamerer Umgang mit Ressourcen wie Wasser, Strom, Wärme, Papier, Nahrungsmitteln usw. resultieren. Zugleich erleben Schüler, dass ihr Handeln sinnvoll ist und positive Effekte für die Gesellschaft zeitigt.
Da junge Menschen oft Probleme beim Eingehen erster Partnerschaften erleben und immer weniger Erfahrungen mit Kleinkindern sammeln, da Paarbeziehungen sehr fragil geworden sind und die Erziehungsunsicherheit von Eltern zugenommen hat, sollte es in Zukunft auch das Fach "Familienkunde" an Schulen geben. Hier könnten wichtige pädagogische und psychologische Kenntnisse vermittelt sowie - sehr begrenzt - die Erfahrungen der Schüler in der eigenen Familie diskutiert werden. Zukunftsorientiert könnte gefragt werden, wie sich die Schüler eine gute Partnerschaft vorstellen, wie sie diese bewerkstelligen möchten, wie sie einmal eigene Kinder erziehen wollen und auf welche Weise sich Familie und Beruf vereinbaren ließen. Dann könnten relevante kommunikative und emotionale Kompetenzen geschult werden. Inzwischen gibt es auch lebensechte, computergesteuerte Puppen, die Schüler mit nach Hause nehmen können und dort wie echte Babys versorgen müssen. Die "Säuglingssimulatoren" fordern durch kräftiges Schreien eine Rundumversorgung, müssen also z.B. gefüttert, gewickelt, in den Arm genommen und geschaukelt werden.
Anzumerken ist, dass die Erweiterung des Fächerkanons nicht dazu führen darf, dass die Schüler noch mehr Unterrichtsstunden pro Woche haben bzw. noch mehr lernen müssen. Wie bereits erwähnt, sollten ja die bisherigen Lehrpläne entschlackt und keine Kenntnisse mehr vermittelt werden, die über eine Allgemeinbildung hinausgehen. Zudem müssen viele Nebenfächer nicht für jedes Schuljahr eingeplant werden. Beispielsweise reicht es wahrscheinlich aus, wenn Familienkunde nur auf einer Klassenstufe unterrichtet würde.
Förderung von fächerübergreifenden Kompetenzen
Neben den bereits erwähnten fächerspezifischen, den lernmethodischen und anderen kognitiven Kompetenzen müssen Lehrer weitere für die Zukunft wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten fördern, die bisher nicht gezielt geschult wurden. Viele von ihnen sind nicht an ein Unterrichtsfach gebunden, sondern sind immer wieder im Schulalltag von Relevanz.
Hier ist vor allem an soziale Kompetenzen zu denken: Zum einen sollten die Schüler im Unterricht lernen, miteinander zu kooperieren, gemeinsam Aufgaben zu bewältigen und einander zu unterstützen. Wenn an Ganztagsschulen Hausaufgaben erledigt werden, können in einem Fach bessere Schüler schlechteren Klassenkameraden helfen - oder ältere Kinder (Tutoren) jüngeren. Zum anderen sollte das Zusammenleben auch dann friedlich verlaufen, wenn keine Erwachsenen anwesend sind. So könnten Klassenlehrer mit ihren Schülern zu Schuljahresbeginn einen Verhaltenskodex entwerfen, wobei das Einhalten der vereinbarten Regeln immer wieder überprüft und Verstöße in der Klasse diskutiert werden müssten. Vor allem aber sollten das in den letzten Jahren immer häufiger auftretende Mobbing und andere Formen der Gewaltausübung durch das klare Ziehen von Grenzen und konsequentes Bestrafen unterbunden werden. Die Schüler sollten lernen, sich für Schwächere einzusetzen und Konflikte friedlich zu lösen. Hier könnten Mitschüler als Streitschlichter oder Lehrer als Mediatoren unterstützend wirken.
Wichtig ist auch die Förderung kommunikativer Kompetenzen. So dürfen Lehrkräfte nicht nur darauf achten, ob Antworten richtig oder falsch sind bzw. zum geplanten Unterrichtsverlauf beitragen, sondern auch, wie sie formuliert sind. Durch Nachfragen, Umformulieren und bei älteren Schülern außerdem durch Kritik können Kinder und Jugendliche dazu geführt werden, längere und komplexere Sätze, passendere Substantive und Verben sowie mehr Adjektive zu verwenden. Außerdem sollten Schüler zukünftig mehr Gelegenheiten zum Reden im Unterricht haben, also nicht nur Fragen der Lehrer beantworten müssen. Lange und intensive Gespräche könnten sich ergeben, wenn Interessen der Schüler oder aktuelle Probleme aufgegriffen werden (z.B. Nutzung von Online-Spielen, Bezug von "Wegwerfgesellschaft" auf das eigene Verhalten, Umgang mit Flüchtlingen, religiöse und ethnische Konflikte, Terrorismus). Dann lernen Schüler, eigene Gefühle, Gedanken und Meinungen angstfrei zu äußern (da sie nicht benotet werden), auf die Aussagen anderer Personen einzugehen bzw. sie kritisch zu hinterfragen, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden sowie den "roten Faden" des Gesprächs zu erkennen und zu verfolgen.
Kommunikative Kompetenzen gehen somit weit über das Formulieren sprachlich guter Sätze oder die Verwendung der de-kontextualisierten Sprache heraus. Kinder und Jugendliche müssen z.B. auch lernen, offen und authentisch zu kommunizieren, kongruente Botschaften zu senden (bei denen verbale Aussage und nonverbales Verhalten übereinstimmen) und ihre Aussagen bei Bedarf zu klarifizieren, Gefühle angemessen auszudrücken und auf die Emotionen anderer empathisch zu reagieren, den Blickkontakt zu suchen, andere ausreden zu lassen und ihnen aktiv zuzuhören, ihr Verständnis zu signalisieren oder ansonsten nachzufragen. Ferner sollten sie mit Feedback und Metakommunikation umgehen können.
Zu den emotionalen Kompetenzen gehört nicht nur der angemessene Gefühlsausdruck, sondern auch die Fähigkeit, die eigenen Emotionen erst einmal wahrzunehmen. Vor allem männliche Schüler haben damit oft Probleme. Lehrer und insbesondere in außerunterrichtlichen Situationen tätige Erwachsene könnten gelegentlich nachfragen: "Und was empfindest du jetzt?" oder "Wie fühlst du dich?" Viele (männliche) Schüler müssen auch lernen, die Gefühle anderer wahrzunehmen, also z.B. aus deren Gesichtsausdruck, Körperhaltung und Stimmlage zu erschließen, und deren Emotionen richtig zu identifizieren bzw. zu benennen. Zudem muss die Selbstbeherrschung unterstützt werden. Insbesondere in den Pausen und bei Angeboten an (Ganztags-) Schulen, die nicht zu den Lernfächern gehören (s.o.), ergeben sich immer wieder Situationen, in denen emotionale Kompetenzen gefördert werden können.
Dasselbe gilt für die Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit, also für die Entwicklung von Reife und Mündigkeit, die Ausbildung eines positiven Selbstbildes, die Identitätsfindung und die Übernahme der Geschlechtsrolle. Je mehr Schüler über ihr eigenes Lernen bestimmen, sich gemeinsam mit anderen Kenntnisse aneignen und zwischen vielen extracurricularen Aktivitäten wählen können, umso selbständiger müssen sie werden. Zugleich sollten sie Verantwortung für die eigene Schulleistung übernehmen - aber auch für das eigene Verhalten, den eigenen Körper, die eigene Gesundheit und den eigenen Medienkonsum. Persönlichkeitsentwicklung und Verantwortungsübernahme könnten in Zukunft stärker durch erlebnispädagogische Projekte, Praktika in sozialen Einrichtungen, die Mitarbeit in Schülerfirmen, die Mitwirkung in Schulgremien oder die Tätigkeit als Mentor bzw. Streitschlichter unterstützt werden.
Persönlichkeitsentfaltung und soziale Entwicklung könnten auch dadurch gefördert werden, dass im Unterricht Lebenssituationen der Schüler in Schule, Peergroup, Familie und Gesellschaft aufgegriffen und gemeinsam analysiert werden: hinsichtlich der eigenen Rolle und der Rollen anderer, der Rahmenbedingungen, der Auswirkungen usw. Da die Schüler diese Situationen als für sie persönlich relevant erleben und emotional beteiligt sind, sind sie nicht nur mit großem Interesse bei der Sache, sondern wollen auch selbst aktiv werden und sich auf sinnvolle Weise engagieren. Die Suche nach Lösungen für Probleme und Konflikte ist oft eine intellektuelle Herausforderung und fördert Kreativität; die Umsetzung gemeinsam aufgestellter Pläne verlangt Tatkraft, instrumentelle und kommunikative Fähigkeiten, Flexibilität, Kooperation mit anderen, Kompromissbereitschaft und die Bewältigung von Widerständen. Bei Jugendlichen können sich Lehrer weitgehend aus der Analyse und Bearbeitung der jeweiligen Lebenssituation heraushalten, sodass die Schüler selbstbestimmt und eigenverantwortlich tätig werden.
Wenn für den Unterricht vermehrt aktuelle Kinder- und Jugendliteratur ausgewählt würde, könnten die dort thematisierten Entwicklungsaufgaben diskutiert und Schülern in dem entsprechenden Alter bei deren Bewältigung geholfen werden. In diesem Zusammenhang könnte auch über die Zukunftsvorstellungen der Kinder und Jugendlichen gesprochen werden. Dabei können Lehrer das auf dieser Website skizzierte Zukunftswissen einbringen, aber auch den Schülern Methoden der Zukunftsforschung vermitteln: So könnten diese z.B. positive, negative und realistische Szenarien für ihr eigenes Leben in 10 oder 20 Jahren entwickeln und miteinander diskutieren. Dabei könnten Lehrer auf Zukunftsängste oder Gefühle der Sinnlosigkeit eingehen. Edward Cornish, der Gründer der World Future Society, fordert in diesem Zusammenhang, dass junge Menschen lernen sollten, die vielen Chancen, die sie in Wirtschaft und Gesellschaft haben, wahrzunehmen sowie realistisch und optimistisch zu bewerten. Wenn sie die Fähigkeit der Voraussicht besäßen, würden sie ihr Leben längerfristig planen und öfters die sofortige Befriedigung von Bedürfnissen aufschieben.
Soziale, emotionale und personale Kompetenzen können besonders gut bei Angeboten von Ganztagsschulen entwickelt werden, die zwischen den Lernfächern liegen, also z.B. bei Sport-, Musik-, Kunst-, Theater-, Hauswirtschafts- und Hobbykursen sowie bei Gesprächs- und Arbeitskreisen (deren Besuch oft freiwillig ist bzw. nicht benotet wird). In Zukunft könnten zu ihrer Förderung außerdem vermehrt besondere Programme eingesetzt werden, wie sie in der Form von Selbstbehauptungstrainings oder Programmen zur Gewalt- bzw. Suchtprävention schon jetzt vorliegen. Positive Erfahrungen wurden an vielen Schulen (z.B. in München) auch mit dem "Skill-Unterricht" gesammelt: In diesem Fach werden Sozialkompetenzen (z.B. akzeptables Verhalten in der Klassengemeinschaft, Wege zur Lösung von Konflikten), kommunikative Kompetenzen (z.B. Gesprächsregeln, aktives Zuhören, Beteiligung an Gruppendiskussionen, Rhetorik), Lernkompetenzen (z.B. richtiges Erledigen von Hausaufgaben, sinnvolle Vorbereitung auf Prüfungen, Konzentrationsübungen, Zeitplanung, Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens, Recherchetechniken in Bibliotheken) und IT-Kompetenzen (Erlernen relevanter Computerprogramme, richtige Nutzung des Internets) vermittelt. Diese Fähigkeiten werden dann in den anderen Schulfächern gepflegt und weiter ausgebildet. Ferner können Fertigkeiten vermittelt werden, die für den nächsten Entwicklungsschritt relevant sind (z.B. gegen Ende der Schulzeit das Schreiben von Bewerbungen und das richtige Verhalten bei Vorstellungsgesprächen).
Bildungsmethoden
Zur Vorbereitung auf die Wissensgesellschaft ist von großer Bedeutung, dass dem Schüler im Lernprozess eine viel aktivere und eigenverantwortlichere Rolle zugewiesen wird als dies derzeit der Fall ist. Er sollte zu einem "Entdeckungsreisenden" werden, der sich im kritischen Austausch mit anderen Schülern und Erwachsenen selbsttätig neues Wissensterrain erschließt und zum Experten für sein eigenes Lernen wird. Bildung muss zu einem selbst gesteuerten, entdeckenden, "lustvollen" und sozial eingebetteten Prozess werden, der nicht nur eine aktive Wissenskonstruktion, sondern auch den Erwerb und die Anwendung fachspezifischer Methoden und Arbeitsmittel, das Lösen von Problemen sowie die Ausbildung ganz unterschiedlicher Kompetenzen beinhaltet (s.o.). Lernwille und Freude am Lernen, das kritische Überprüfen des eigenen Lernprozesses, Frustrationstoleranz sowie das Erlangen von Selbstvertrauen und Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten sind weitere wichtige Aspekte.
Dementsprechend sollten Lehrer zu "Managern von Lernprozessen", zu "Coaches", "Tutoren" und "Lernberatern" werden, die Kinder und Jugendliche beim "Abenteuer" Lernen bzw. auf deren individuellen Bildungswegen partnerschaftlich begleiten. Sie müssen die Lern- und Leistungsbereitschaft der Schüler wahrnehmen und nutzen, ihre Neugier wecken, sie zu größeren Anstrengungen anstacheln, ihnen benötigte Informationen geben, sie die Anwendbarkeit des Gelernten erfahren lassen, sie ermutigen und bei Bedarf unterstützen. Ferner müssen sie Lernteams organisieren, den Austausch zwischen den Teilnehmern fördern und gemeinschaftliche Lernprozesse moderieren. Eine weitere Aufgabe der Lehrer ist, die Ergebnisse aus den individuellen und sozialen Lernarrangements "einzufangen" und so zu strukturieren, dass auf ihnen aufgebaut werden kann.
Dies sind letztlich keine neuen Erkenntnisse. Wie z.B. der Erziehungswissenschaftler Ulrich Herrmann verdeutlichte, wissen Pädagogen und Psychologen im Grunde schon seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, wann Lernen dauerhaft erfolgreich ist: Durch Anregungen, praktische Herausforderungen, die subjektiv Sinn machen, und individuell zugemessene Anforderungen, die also den jeweiligen Schüler weder unter- noch überfordern, sollten Lehrer Neugier und Wissbegierde fördern, sodass das Kind bzw. der Jugendliche von sich aus selbsttätig wird und sich relevante Kenntnisse und Kompetenzen aneignet. Dabei sollte der einzelne Schüler die von ihm benötigte Zeit selbst bestimmen können, weil Zeitdruck das Gehirn "blockiere", und auch Fehler machen dürfen, da diese Lernchancen seien. Feedback und Lob, vor allem aber die mit der Bewältigung neuer Herausforderungen verbundenen Erfolgs- bzw. Selbstwirksamkeitserlebnisse, würden den Schüler auf dem Weg der eigenständigen Selbstbildung bestätigen sowie seine Lernfreude und intrinsische Motivation erhalten. Wichtig wären außerdem ein Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, viele Gelegenheiten zum Üben und Wiederholen sowie sinnvolle und Spaß machende praktische Arbeiten.
Auch in Zukunft wird man nicht auf den Frontalunterricht verzichten können, da er die effektivste und effizienteste Form der Wissensvermittlung ist. Er sollte aber maximal 30 Minuten dauern, da auch ältere Schüler nicht länger konzentriert zuhören können. Laut Hirnforschung ist das Arbeitsgedächtnis bei ganz neuem Lernstoff bereits nach fünf Minuten überfordert.
Viel wichtiger als die "klassische" frontale Unterweisungssituation sind aber Lernformen, die eine größere Bandbreite von Kompetenzen als den reinen Wissenserwerb fördern und den vorgenannten Erkenntnissen entsprechen. Dazu gehören beispielsweise:
- die freie Arbeit, bei der jeder Schüler für sich entweder vorgegebene Aufgaben erledigt, zwischen verschiedenen Themen wählen kann oder sich (in Absprache mit dem Lehrer) einer selbst gestellten Frage widmet. Die einzelnen Arbeitsaufträge können auch dem Leistungsstand des jeweiligen Schülers angepasst und von ihm in seinem Lerntempo erledigt werden.
- die Partnerarbeit, bei der z.B. eine Thematik mit einem Klassenkameraden besprochen oder mit ihm ein Lernstoff eingeübt wird. Die beiden Schüler unterstützen einander.
- die Gruppenarbeit, bei der in kleinen Teams ein Thema oder verschiedene Aspekte desselben diskutiert oder ein (Lern-, Forschungs-) Auftrag erledigt wird. Hier kommen die Stärken einzelner Schüler zum Tragen, während gleichzeitig ihre Schwächen durch die anderen ausgeglichen werden. Sie müssen miteinander kooperieren und gemeinsam handeln.
- das Stationenlernen: Anhand eines Laufzettels werden verschiedene Stationen (im Klassenraum) aufgesucht und dort bestimmte Aufgaben oder Übungen anhand ausliegender Anleitungen und Materialien erledigt. Diese ermöglichen häufig unterschiedliche Zugänge zu einem Thema oder beziehen sich auf Teilbereiche. Oft müssen Schüler je nach Leistungsstand andere oder mehr bzw. weniger Stationen durchlaufen; häufig gibt es auch Pflicht- und Wahlstationen.
- der Werkstattunterricht: Im Klassenraum liegen unterschiedliche Materialien zu einem oder zu mehreren Themen auf den Tischen. Die Schüler müssen sich für einen Tisch entscheiden.
- der offene Unterricht: Hier werden die Schüler an der Planung und Realisierung ihres Lernens beteiligt, indem sie mitbestimmen, welche Themen wie behandelt und was für Aktivitäten wann durchgeführt werden.
- Projektarbeit: Über einen längeren Zeitraum hinweg wird ein Thema verfolgt, wobei die Schüler in hohem Maße die Ziele, die Inhalte und den Verlauf des jeweiligen Projekts mitbestimmen. Durch die intensive Beschäftigung mit der jeweiligen Fragestellung entwickeln sie ein tieferes Verständnis und erwerben mehr Sach- und Methodenkompetenz. Häufig muss das Schulgebäude verlassen werden, um je nach Thematik bestimmte Orte (in der Natur oder in der Gemeinde; Betriebe, Institutionen, Forschungseinrichtungen, Ateliers usw.) aufzusuchen oder Fachleute zu interviewen. Es können auch mehrere Projekte gleichzeitig in einer Klasse stattfinden, die dann von Kleingruppen, aber auch von einzelnen Schülern durchgeführt werden. Ferner werden an einigen Schulen klassenübergreifende oder Schulprojekte realisiert (Beim fächerübergreifenden Unterricht wird ähnlich wie bei Projekten ein komplexes Thema aufgegriffen und gleichzeitig in verschiedenen Schulfächern behandelt, also z.B. das Thema "Wasser" in Physik, Geografie, Biologie, Sport und Musik. Hier arbeiten aber in erster Linie die Fachlehrer zusammen, um den Schülern ein Lernen in Zusammenhängen zu ermöglichen).
Bei all diesen Lernformen treten die Lehrer in den Hintergrund, übernehmen eine eher beobachtende Rolle und unterstützen die Schüler nur bei Bedarf. Diese lernen weitgehend selbständig bzw. in einem Team, in dem sich in der Kooperation mit anderen Informationen leichter sammeln und in Korrekturschleifen überprüfen lassen. Die Schüler müssen oft ihre Arbeitsergebnisse schriftlich, mündlich oder multimedial präsentieren, wobei die Redaktionsarbeit zusätzliche Lernmöglichkeiten eröffnet.
Noch weiter als diese zukunftsorientierten Lernformen geht die in manchen Schulen praktizierte Individualisierung des Lernens: Hier kann jeder Schüler in einem vorgegebenen Rahmen sein Lernprogramm, die täglichen Arbeitsschwerpunkte und sein Lerntempo selbst bestimmen. Bei der Verwendung von Wochenplänen erhalten die Schüler am Anfang der Woche Pflicht- und Wahlaufgaben, die sie in den für die Wochenplan-Arbeit reservierten Stunden erledigen sollen - in welcher Reihenfolge oder wie schnell, ob alleine, mit einem Freund oder in einem Team ist ihnen frei gestellt. Je nach Leistungsfähigkeit der Schüler können es auch leichtere oder schwierigere Aufgaben sein. Die Lehrer sind während dieser Stunden anwesend und stehen für Rückfragen oder eine individuelle Lernbegleitung zur Verfügung.
An einigen Schulen ist sogar nahezu das ganze Lernen selbstorganisiert und -verantwortet. Hier werden den Schülern zumeist für ein Halbjahr klar definierte Lernziele und -inhalte vorgegeben - oft nach einer Lernstandsanalyse angepasst an das individuelle Leistungsvermögen eines Kindes. In den verschiedenen Räumen der Schule, in Lernwerkstätten, Labors und Ateliers liegen Bücher, Gegenstände und Materialien aus, die während dieses Schulhalbjahres benötigt werden. Zu Beginn eines Tages oder einer Woche legen die Schüler z.B. mit Hilfe eines Logbuches fest, was sie in diesem Zeitraum lernen wollen. Hier werden auch Lernwege dokumentiert; die Lernergebnisse werden anhand vorgegebener Kriterien ausgewertet. In welcher Reihenfolge, zu welcher Zeit, in welchen Räumen, mit was für einem Zeitaufwand und mit welchen Mitschülern die Aufgaben erledigt werden, ist jedem Kind bzw. Jugendlichen frei gestellt. So können sich auch altersgemischte Arbeitsgruppen bilden, in denen vom Leistungsstand her ähnliche Schüler kooperieren oder jüngere von älteren Schülern lernen. Die Lehrer schaffen eine anregende Lernumgebung, führen Aufsicht, beobachten, geben Anregungen, stellen Materialien zur Verfügung, beantworten Fragen, beraten und bieten bei Bedarf eine individuelle Förderung an.
Ob sich in Zukunft ein weitgehend selbstorganisiertes Lernen an Schulen durchsetzen wird, ist fraglich - es muss aber mehr eigenständiges, aktives, forschendes und entdeckendes Lernen in Zusammenarbeit mit Klassenkameraden geben. Auch Hausaufgaben, die an Ganztagsschulen von den Schülern mehr oder minder zur gleichen Zeit erledigt werden, könnten mehr kooperative Elemente enthalten. Da in der Schule vorhandene Materialien und Räume genutzt werden können, lassen sich Hausaufgaben außerdem mit kreativen Tätigkeiten, Experimenten, Rechercheaufgaben und praktischen Aktivitäten verbinden.
In Zukunft werden traditionelle Schulbücher zunehmend durch E-Books ersetzt werden, die preiswerter sind und schneller aktualisiert werden können. Auch die Schultafel hat ausgedient: Auf digitalen Whiteboards können Schüler mit Informationen interagieren, sie verschieben, selektieren, ordnen und bewerten. Ferner können auf ihnen Bilder, Animationen und Filme gezeigt werden. So werden im Unterricht mehr Sinne angesprochen, was vor allem für diejenigen Schüler vorteilhaft sein dürfte, die Informationen nicht so gut durch Zuhören aufnehmen - und das dürften immer mehr Kinder und Jugendliche sein, da die neuen Medien die visuelle Wahrnehmung bevorzugen. Zudem ist empirisch belegt, dass man besser lernt, wenn Informationen multimedial - also auf verschiedenen Kanälen - präsentiert werden.
Außerdem müssten in Zukunft vermehrt Computer benutzt werden, da zum einen interaktive Lernprogramme eine stärkere Berücksichtigung des Lernstandes eines Schülers und damit ein individualisiertes Lernangebot ermöglichen und da zum anderen der Zugang zum Internet mit der dort vorhandenen Unmenge an Informationen eröffnet wird. Außerdem würde hierdurch die immer noch bestehende digitale Kluft zwischen Familien mit und ohne Computer überwunden und vielen Schülern verdeutlicht, dass PCs für mehr als nur für Spiele eingesetzt werden können - nämlich auch für virtuelles Lernen. Digitale Bildung hat fächerübergreifend zu erfolgen. Bundesländer und Kommunen müssen sicherstellen, dass an allen Schulen moderne Informationstechnologie und aktuelle Software vorhanden sind sowie dass Lehrer regelmäßig hinsichtlich ihrer Verwendung fortgebildet werden und Computer kontinuierlich im Unterricht einsetzen.
Ideal wäre es, wenn jeder Schüler ab einer bestimmten Klassenstufe einen eigenen Laptop mit Internetanschluss erhalten würde. So könnten sich Lerngruppen auch im virtuellen Raum zusammenfinden - leben Mitglieder in anderen Ländern, könnten zugleich Fremdsprachenkenntnisse angewandt werden. Alle Schüler sollten lernen, Computer z.B. für Textverarbeitung, Programmieren, Präsentationen, Berechnungen, das Komponieren, das Erstellen von Grafiken und das Malen von Bildern zu nutzen, aber auch für die Ideenfindung und die Umsetzung eigener Ideen - z.B. mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz (KI). Sie benötigen Freiräume, um in digitalen Umwelten künstlerisch und kulturschaffend tätig werden zu können. Dabei könnten Digitalkamera und Smartphone eingesetzt werden, um z.B. Kurzfilme zu drehen oder Interviews aufzunehmen. Jugendliche sollten oft die Möglichkeit zu Multimediadarstellungen haben und im Umgang mit der dafür benötigten Software geschult werden. Alle Kinder sollten frühzeitig in der Schule Maschineschreiben lernen.
Wie bereits erwähnt, gibt es inzwischen bildende Computerspiele, mit deren Hilfe sehr komplexe Vorgänge wie z.B. Abläufe und Entscheidungsprozesse in Unternehmen lebensnah simuliert werden. Hier müssen Schüler verschiedene Rollen übernehmen, praktische Aufgaben bewältigen und Probleme in Zusammenarbeit mit anderen lösen, wobei Kreativität, Fantasie, strategisches Denken und das Lernen durch Experimentieren sowie aus Versuch und Irrtum eine große Rolle spielen. Aber auch Spiele im Internet könnten von Lehrern genutzt werden: In virtuellen Welten können Schüler ihre Umwelt selbst kreieren, also z.B. Landschaftsformen, Klimazonen oder Gebäude aus verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte bzw. aus gegenwärtigen Kulturräumen nachbilden. Das setzt einerseits voraus, dass sich die Schüler das notwendige Fachwissen aus Bereichen wie Geografie, Architektur, Geschichte und Biologie selbst aneignen, und andererseits, dass sie den Umgang mit den benötigten Werkzeugen erlernen. Hier wird nicht nur Fachwissen miteinander verknüpft, das traditionell in unterschiedlichen Schulfächern unterrichtet wird, sondern es wird auch praktisch angewendet - was nicht nur die Relevanz dieser Kenntnisse für den Schüler zeigt, sondern auch den Lernerfolg verstärken dürfte.
Zu überlegen wäre, ob nicht eine höhere Qualität schulischer Bildung erreicht werden könnte, wenn im Auftrage des jeweiligen Bundeslandes ein Teil der Lehrplaninhalte von erfahrenen Lehrern und Mediengestaltern multimedial und interaktiv aufbereitet und in das Internet eingestellt werden würde. Es könnten so Unterrichtselemente entstehen, die entweder von den Lehrern während des "normalen" Unterrichts per Beamer "eingeblendet" oder von den Schülern selbständig genutzt werden (z.B. bei der Frei- oder Partnerarbeit, am Nachmittag während der Hausaufgabenzeit, im Rahmen von Projekten oder bei Unterrichtsausfall). Da mehrere Fachleute an dem jeweiligen Unterrichtselement mitgearbeitet haben, kann eine hohe Qualität desselben sichergestellt werden, und durch die multimediale, dreidimensionale und interaktive Aufbereitung werden Lernmotivation und -erfolg bei den Schülern sicherlich höher sein.
Neue Bewertungsverfahren
Sicherlich haben die in den letzten Jahren eingeführten Bildungsstandards, Vergleichsarbeiten bzw. Lernstandserhebungen und zentralen Abschlussprüfungen zu einer gerechteren Beurteilung von Schülerleistungen an verschiedenen Schulen geführt. Außerdem erhalten Lehrer ein Feedback über die Qualität ihres Unterrichts. Zentrale Abschlussprüfungen garantieren vergleichbare Kenntnisse von Schülern, die unterschiedliche Schulen besucht haben, und sind somit bessere Entscheidungsgrundlagen für Hochschulen und Arbeitgeber bei der Auswahl von Studienbewerbern bzw. Auszubildenden.
Jedoch fokussieren diese Prüfungen zum einen auf rein kognitiven Kompetenzen und zum anderen auf den Leistungen des einzelnen Schülers - dasselbe gilt für nahezu alle an Schulen durchgeführten Klassenarbeiten und mündlichen Prüfungen. So bleiben einerseits die anderen Kompetenzbereiche unberücksichtigt, die doch für die Zukunft so wichtig sind. Andererseits werden die Leistungen von Arbeitsgruppen nicht bewertet, obwohl in Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung schon jetzt nur noch Teamarbeit die gewünschten Ergebnisse zeitigt. Außerdem führt eine häufige schlechte Benotung zur Demotivierung des Schülers; Lernfreunde und Leistungsmotivation lassen nach. Wird jedoch die Arbeit eines Teams bewertet, so können auch schlechte Schüler Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein aus dem kooperativen Handeln und dem gemeinsam erreichten Ziel ableiten.
Deshalb sollten in Zukunft häufiger Bewertungsverfahren eingesetzt werden, bei denen das Feedback (also nicht die Zensur) im Vordergrund steht, die alle Kompetenzbereiche berücksichtigen, bei denen eine Selbstbeurteilung der eigenen Leistung möglich ist oder mit denen gemeinschaftliche Arbeitsergebnisse von zwei und mehr Schülern gemessen werden können. Dazu gehören:
- Lernjournale, in die Schüler am Ende einer jeden Stunde notieren, was sie gelernt haben,
- Reflexionsbögen, mit deren Hilfe Schüler in bestimmten Abständen den eigenen Lernfortschritt bzw. -ertrag bewerten,
- Lernentwicklungsberichte, in denen der individuelle Lernfortschritt beschrieben und Wege aufgezeigt werden, wie eventuelle Lerndefizite behoben werden können,
- Filmaufnahmen, anhand derer Schülern bestimmte Verhaltensweisen bewusst gemacht werden können,
- Portfolios, in denen Arbeitsprodukte gesammelt werden, die individuelle Lernerfolge und erworbene Kompetenzen widerspiegeln,
- Einschätzskalen, mit deren Hilfe der Lehrer oder der einzelne Schüler Stärken und Schwächen in verschiedenen Entwicklungsbereichen beurteilen kann, sodass Kompetenzprofile entstehen,
- Lernzielkataloge, die sich auf einen längeren Zeitraum (z.B. ein Schulhalbjahr) beziehen, mit vorher festgelegten Kriterien, anhand derer die kognitive, soziale und personale Entwicklung des Schülers von ihm selbst oder vom Lehrer bewertet werden kann,
- Berichtszeugnisse, die keine Noten enthalten, sondern eine Beschreibung von Lernprozessen und -ergebnissen, neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten,
- Partnerbewertung, bei der die Klassenkameraden Punkte für die von einem Schüler erbrachte Leistung (z.B. ein Referat oder eine Präsentation) vergeben oder einen Feedbackbogen ausfüllen,
- Gruppenjournale oder Projektlogbücher, in denen Arbeits- bzw. Projektgruppen ihren Lernfortschritt reflektieren, sowie
- Beurteilung der Qualität der Mitwirkung und des Beitrags eines einzelnen Schülers zu einem gemeinsamen Ergebnis durch die anderen Mitglieder der Arbeitsgruppe, eventuell in Verbindung mit einer Selbstbewertung (z.B. anhand von Fragebögen).
Hausarbeiten und Referate dürften hingegen an Bedeutung verlieren, weil sie mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) erstellt werden können. Da dies für Lehrer nur schwer nachprüfbar ist, kann eine gerechte Benotung nicht mehr gewährleistet werden.
In Einzelfällen könnten auch psychologische Tests eingesetzt werden, um z.B. besondere Begabungen oder Lernstörungen zu diagnostizieren. Sie sollten aber nur von Fachleuten wie z.B. Schulpsychologen verwendet werden.
An manchen Schulen ist das Sitzenbleiben (weitgehend) abgeschafft worden. Hier wird durch individuelle Förderpläne und entsprechende -angebote erreicht, dass schlechte Schüler eine Klasse nicht wiederholen müssen.
Die bisher Benachteiligten besser unterstützen
Je weniger Kinder es gibt, umso wichtiger wird, dass im Schulsystem die Potenziale aller Kinder entfaltet werden. Nur so kann dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel begegnet werden. Hinzu kommt, dass je geringer die Mittel für Sozialleistungen in Zukunft werden, umso dringlicher Kinder und Jugendliche so gefördert werden müssen, dass sie später nicht auf Heimunterbringung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Drogenentzug, Resozialisierungsmaßnahmen und Ähnliches angewiesen sind.
Nach vielen internationalen Vergleichsstudien ist das deutsche Bildungssystem in besonders hohem Maße sozial selektiv: Vor allem Kinder aus bildungsfernen Schichten, mit Migrationshintergrund oder (leichten Lern-) Behinderungen werden frühzeitig aussortiert und verlassen oft die Schule ohne Abschluss. Viele von ihnen erhalten keinen Ausbildungsplatz und müssen dann im Übergangssystem nachqualifiziert werden. Aber auch dann finden sie häufig keinen Arbeitsplatz bzw. werden öfters arbeitslos. Laut einer Studie des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zählen rund 20% der Jugendlichen zu den unzureichend gebildeten Risikoschülern. Die Folgekosten durch entgangenes Wirtschaftswachstum werden hier mit rund 2,8 Billionen Euro beziffert.
Deshalb sollten in Zukunft Kinder aus bildungsfernen Schichten bzw. mit Migrationshintergrund intensiver gefördert werden. Sie werden besonders von einem flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen profitieren, weil hier das Bildungsangebot umfassender ist und mehr Zeit für (individuelle) Fördermaßnahmen zur Verfügung steht. Auch müssen sie in Ganztagsschulen ihre Hausaufgaben unter Aufsicht erledigen und können dabei eine Unterstützung erfahren. Zudem sind Migrantenkinder länger der deutschen Sprache ausgesetzt. Vor allem aber sollten zukünftig ihre Ressourcen mehr berücksichtigt und nicht wie bisher ihre Defizite fokussiert werden. So ist das Beherrschen einer anderen Familiensprache - sei es Türkisch, Russisch, Polnisch, Arabisch oder Chinesisch - durchaus als eine Stärke anzusehen und sollte dementsprechend gewürdigt werden. Dann werden sich Schüler mit Migrationshintergrund auch eher emotional akzeptiert fühlen.
Zu den vom Bildungssystem benachteiligten Kindern gehören auch immer mehr Jungen: Ihre Schulleistungen sind im Durchschnitt um eine Schulnote schlechter als diejenigen von Mädchen; Jungen bleiben öfter sitzen, erwerben seltener die allgemeine Hochschulreife und brechen häufiger die Schule ab. Aber auch aufgrund ihrer geringeren verbalen und sozialen Kompetenzen sind sie für die Zukunft schlecht gerüstet. Deshalb müssen Lehrer in Zukunft männliche Schüler intensiver fördern, indem sie z.B. mehr "Jungenthemen" bei den Unterrichtsinhalten, der Leselektüre und den Aufsatzthemen berücksichtigen, Buben länger Leseunterricht erteilen, ihre kommunikativen Fähigkeiten bewusst verbessern und ihrer ambivalenten Haltung gegenüber Lernen und Leistung entgegenwirken. Jungen werden auch von der flächendeckenden Einführung von Ganztagsschulen profitieren, da sie dann nicht mehr weniger Zeit als Mädchen mit Hausaufgaben verbringen und zumindest an fünf Tagen der Woche von ihrem größeren Medienkonsum abgehalten würden. Auch muss die Zahl männlicher Lehrer an Grundschulen erhöht werden, weil Lehrerinnen - die hier überwiegend tätig sind - sich zu sehr an den "braven" Mädchen orientieren und Jungen durch Kritik an ihrem Verhaltens demotivieren würden. Das Rollenmodell und Vorbild männlicher Lehrer würden zugleich der bisherigen Feminisierung der Kindheit entgegenwirken.
In den kommenden Jahren muss Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umsetzen. So dürfen behinderte Kinder nicht länger vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden; sie haben einen Anspruch auf Inklusion. Laut der Max-Traeger-Stiftung sind die Bundesländer und Kommunen als Schulträger durch die Behindertenkonvention verpflichtet, 80 bis 90% der behinderten Schüler in Regelschulen zu unterrichten.
Die Forderung nach Inklusion hat aber noch weiterreichende Implikationen: Sie betrifft im Grunde jedes Kind, das in Zukunft nicht mehr aufgrund bestimmter Eigenschaften "etikettiert" werden darf (z.B. als behinderter oder hochbegabter Schüler, als Kind mit Migrationshintergrund oder aus einer bildungsnahen Schicht), sondern in seiner Individualität und Einzigartigkeit wahrgenommen und wertgeschätzt werden muss. Jedes Kind ist unterschiedlich, hat verschiedene Stärken und Schwächen. So sollte der Individualisierung des Unterrichts eine noch größere Bedeutung zukommen: Im Grunde müsste der Lehrer für jedes Kind einen eigenen Lehrplan haben, in dem er dessen besonderen (Lern-) Bedürfnisse, Begabungen und Interessen, seine Lernmotivation und sein Leistungsniveau berücksichtigt und nach dem er dessen Kompetenzen fördert (z.B. im binnendifferenzierten Unterricht, in entsprechend zusammengesetzten Kleingruppen oder durch Einzelarbeit mit dem jeweiligen Schüler).
Bessere Schulqualität
Das heutige Bildungssystem macht Kinder und Jugendliche noch nicht in ausreichendem Maße zukunftsfähig. So werden in den Lehrplänen viele zukunftsorientierte Bildungsziele und Lerninhalte nicht genannt. Selbst wenn Lehrer die vorgenannten Kompetenzen und Kenntnisse vermitteln wollen, fällt ihnen dies zumeist schwer, da ein entsprechendes Handeln vielen der während des Studiums und in der Praxis gelernten Einstellungen, Erziehungsmethoden, Unterrichtstilen und Verfahren der Leistungsmessung bzw. Notengebung widerspricht. Manche Lehrer sind sich auch bewusst, dass sie selbst kein Vorbild für ein zukunftsrelevantes Leben, Denken und Handeln sind. So können sie nur Anstöße geben - die Schüler müssen als junge Erwachsene ihren eigenen Weg finden. Hinzu kommt: Je schneller der technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel verläuft, umso weniger können Schüler auf ihn vorbereitet werden - vor allem allgemeine Kompetenzen wie z.B. Lernfähigkeit, Kreativität und Flexibilität werden ihnen später von Nutzen sein.
Deshalb ist es höchste Zeit für einen neuen bildungspolitischen Aufbruch: Zum einen müssen die Ausgaben für Bildungseinrichtungen stark erhöht werden. Laut der OECD-Studie "Bildung auf einen Blick 2024" lagen sie 2021 in Deutschland mit 4,0% des Bruttoinlandsprodukts unter dem OECD-Durchschnitt von 4,5%. Zum anderen muss eine höhere Qualität der Bildungsangebote erreicht werden, insbesondere durch kleinere Klassen, einen besseren Lehrer-Kind-Schlüssel, Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsqualität, Supervision sowie eine zeitgemäße Ausbildung und die kontinuierliche Fortbildung von Lehrkräften in zukunftsorientierter Pädagogik. Auch benötigen Schulen eine modernere Ausstattung mit Informationstechnologie und anderen Lernmaterialien. Sie sollten zu Orten werden, an denen sich Schüler wohl fühlen (z.B. wohnliche Klassenräume mit Teppichen, Bildern und Pflanzen, Flure mit Sofas und Sesseln, schön gestaltete Gemeinschaftsräume wie Kantinen, Rückzugsmöglichkeiten wie Leseecken in der Schulbibliothek).
Politik, Kultusverwaltung und Kommunen als Schulaufwandsträger sollten also mehr Mittel für das Schulsystem bereitstellen. Erstere müssen aber auch Rechtsgrundlagen, (Prüfungs-) Vorschriften und Lehrpläne ändern, damit z.B. weitere Schulfächer eingeführt, fächerübergreifende Kompetenzen geschult sowie neue Bildungsmethoden und Bewertungsverfahren eingesetzt werden können (s.o.).
Wichtig wäre auch eine kontinuierliche externe Evaluation der Schulqualität. Das setzt aber voraus, dass den Bildungseinrichtungen mehr Selbständigkeit, Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit zugestanden werden, da nur so ein Wettbewerb zwischen ihnen entstehen kann sowie kreative und innovative Kräfte mobilisiert werden können. Staatliche Zuwendungen sollten teilweise an Qualitätskriterien geknüpft werden. Da Privatschulen oft eine Vorreiterrolle bei der Ausbildung neuer Schulprofile übernehmen, sollte ihre Gründung erleichtert werden. Es sollte ein flexibles, anpassungsfähiges und "ertragsorientiertes" Bildungssystem entstehen.
Bei aller Zukunftsorientierung von Bildungsbemühungen darf aber nicht das Recht des Kindes auf Gegenwart ignoriert werden. Auch die aktuellen Bedürfnisse von Schülern sind zu berücksichtigen. Außerdem darf man Bildung nicht immer nur unter dem Aspekt "Leistungsfähigkeit für Wirtschaft und Gesellschaft" sehen, sondern auch unter dem Aspekt "Selbstzweck": Bildung soll zugleich zur Entfaltung des inneren Menschseins und der eigenen Individualität führen.
Zusammenarbeit mit Eltern und anderen Einrichtungen
Auf dieser Website wird Zukunftsfähigkeit als das gemeinsame "Produkt" von Familie, Kindertageseinrichtung und Schule - sowie von dem Kind selbst - betrachtet. Im Idealfall liefert die Familie die emotionale Basis und fördert die Persönlichkeitsentwicklung sowie grundlegende Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen und Werthaltungen. Kindertagesstätte und Schule bauen darauf auf, erweitern die Kompetenzen des Kindes und vermitteln ihm immer mehr Wissen (Allgemeinbildung). Im Idealfall kommen in diesen Sozialisationsinstanzen die drei Formen der Bildung gleichermaßen zum Zuge: die Selbstbildung, das ko-konstruktive Lernen zusammen mit Gleichaltrigen und Erwachsenen sowie das Lehren bzw. der Unterricht. Das mag im Verlauf der Bildungszeit wohl in wechselnden Verhältnissen der Fall sein, aber keine Sozialisationsinstanz sollte eine Form der Bildung überbetonen.
Wenn die Zukunftsfähigkeit eine "Ko-Produktion" von Familie, Kindertageseinrichtung und Schule ist, sollten diese eng zusammenarbeiten - zumindest so lange, bis der junge Mensch die Verantwortung für seinen Lebens- und Bildungsweg übernehmen kann. Kindertagesstätte und Schule müssen familienergänzend und Familien kita- bzw. schulergänzend wirken. Gemeinsam ist man stärker! So sollten Eltern, Erzieherinnen und Lehrer in eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft eintreten und häufig besprechen, wie sich das jeweilige Kind entwickelt und wie sie es gemeinsam bestmöglich fördern können. Dabei sind immer auch die Grundrechte und die Individualität des Kindes zu beachten: Letztendlich kann ein Mensch nicht zukunftsfähig "gemacht" werden, sondern er muss selbst die Lernanreize in seiner Umwelt zur Ausbildung der eigenen Kompetenzen sowie die Bildungsangebote zum Wissenserwerb nutzen...